“Er bemüht sich nicht mehr.” Diesen Satz kennen wir sehr gut! Wenn vom Partner nichts mehr kommt, hat sich in der Beziehung etwas verändert, was sich oft wahnsinnig unangenehm und in den meisten Fällen auch bedrohlich für die Partnerschaft ist.
Wir verstehen nicht, was genau der Auslöser für die Verhaltensänderung war, aber fühlen uns plötzlich nicht mehr richtig gesehen und wertgeschätzt. Damit sich der vage Nebel aus negativer Veränderung, Ungewissheit, Hilflosigkeit und Sorge möglichst schnell lichtet, müssen wir uns gemeinsam zwei Dinge anschauen:
1. Was könnte hinter diesem Verhalten stecken?
2. Lässt sich das wieder ändern und wenn ja, wie?
Plötzlich weniger in die Beziehung zu investieren und die dadurch kreierte Distanz, scheint sich für diese Partner besser anzufühlen als gemeinsam verbrachte Zeit. Das kann sich sowohl auf ein emotionales Entfernen aus der Beziehung beziehen, als auch auf körperliche Distanzierung mit weniger Zärtlichkeit und Intimität oder auf beide Ebenen.
Der Partner scheint buchstäblich aus dem „Wir-Gefühl“ der Beziehung ausgestiegen zu sein. Aus Erfahrung wissen wir, dass das temporär bedingt sein kann oder ein längerfristiges und damit komplexeres und tieferliegendes Thema betrifft. Hier sind mögliche Gründe dafür, dass vom Partner nichts mehr kommt:
Jobanforderungen, Probleme in anderen sozialen Beziehungen, Erkrankungen, pubertierende Kinder oder zu pflegende Eltern. Die Liste an Stressfaktoren, die die Beziehung belasten und zu Rückzugsverhalten führen können, ist elendig lang.
Das kann kurzfristig sein und hat erstmal nichts mit dem Partner an sich zu tun. Trotzdem belastet es die Beziehung, weil beide das temporär mangelnde Bindungsgefühl aushalten müssen.
Der Partner hat nie gelernt, was echte emotionale Bindung ausmacht. Er hat vielleicht nie die Erfahrung gemacht, sich vom Partner auf einer tiefen Ebene verstanden und gesehen zu fühlen.
Das führt häufig dazu, dass dem anderen nach der anfänglichen Verliebtheitsphase mit rosaroter Brille erst wirklich auffällt, dass die Beziehung sich in keine tiefergehende, haltgebende Verbindung entwickelt. Dann ist das Verhalten des anderen gar nicht unbedingt plötzlich anders, sondern einem selbst fällt plötzlich auf, dass emotionale Bindung irgendwie fehlt. Die Beziehung erfüllt einen nicht und man ist unglücklich in der Partnerschaft.
Diese Partner wissen zwar, was emotionale Bindung ist und wünschen sich diese vielleicht auch grundsätzlich. Doch aus der Erfahrung heraus haben sie gelernt, dass eine zu enge Bindung sich unangenehm anfühlt, weil sie beispielsweise zu Verletzungen führt oder die eigene Autonomie extrem beschneidet.
Wir erleben immer wieder, dass diese Partner am Anfang der Beziehung durchaus Nähe zulassen und viel in die Beziehung investieren, doch das schwindet mit der Zeit. Dann wird es aber schnell zu viel, das Geben zu anstrengend, die Nähe zu eng und beängstigend und derjenige zieht sich zurück.
Es kann auch sein, dass der Partner ein hohes Bedürfnis nach Unabhängigkeit, Freiheit und Autonomie hat. Auch das ist in der Verliebtheitsphase vielleicht wenig spürbar, weil es weniger gezeigt wird.
Oder aber dem anderen fällt es erst richtig auf, sobald er sich selbst voll und ganz auf eine Beziehung, Nähe, Rücksichtnahme und Verlässlichkeit einer anderen Person gegenüber einlässt.
Der Partner hat sich in eine andere Person verliebt und zieht sich deshalb zurück. Das ist für viele das Worst-Case-Szenario und stellt häufig die größte Angst bei dieser Thematik dar. Diese Klienten sitzen auf unserem Sofa, weil sie genau von diesem Grund ausgehen, sich aber nicht sicher sind und hoffen, falsch zu liegen, während sie in einer Phase des Unglücklichseins stecken.
Auch der eigene Anteil am veränderten Verhalten des Partners sollte berücksichtigt werden. Verhalte ich mich im Kontakt vielleicht etwas anders in letzter Zeit, was dieses fehlende Bemühen ausgelöst oder zumindest begünstigt haben könnte? Bin ich vielleicht viel misstrauischer und unsicherer geworden, stelle deshalb sehr viel mehr Fragen oder tendiere ich sogar zu kontrollierendem Verhalten?
Habe ich in letzter Zeit ein stark erhöhtes Bindungsbedürfnis, weil es mir selbst gerade nicht sehr gut geht und ich mehr Unterstützung, Wertschätzung und Nähe als sonst brauche? Es geht hier nicht darum, die Schuld bei sich zu suchen, sondern ehrlich und verantwortungsbewusst neben dem Finger Pointing auf den anderen auch für einen Moment den Finger auf sich selbst zu richten.
Wir sehen, dass nicht immer die größte Angst einer Affäre der Grund für die veränderten Bemühungen des Partners sein muss. Aber egal, welcher Grund identifiziert werden konnte, wir alle wollen konkrete Möglichkeiten haben, mit dieser unangenehmen und belastenden Beziehungskrise umzugehen, um wieder glücklich zu sein.
Aus Erfahrung wissen wir, dass genau an dieser Stelle sehr häufig Beziehung kaputt gehen.
Als Paartherapeuten leuchtet dann gewissermaßen eine tickende Uhr über den Köpfen dieser Paare, die das Ende der Beziehung ankündigt. Ankündigt, aber nicht zwangsläufig voraussagt.
Es ist wichtig genau zu klären, was hinter dem Verhalten des Partners steckt, von dem nichts mehr kommt. Und wie wir gesehen haben, kann das vielfältige Gründe haben, die mit dem Partner selbst zu tun haben oder mit dem eigenen Verhalten oder alles drei. Aber nicht immer mit einer dritten Person.
Weil wir aber genau davon oft vorschnell ausgehen, neigen wir unter Umständen zu nachvollziehbaren, aber nicht zielführenden Verhaltensweisen. Für mehr Kontrolle und Sicherheit über die Situation neigen viele Menschen dazu, ins Handy vom Partner zu schauen oder anderweitig zu spionieren, um einen möglichen Verdacht zu bestätigen.
In fast allen Fällen führt dieses Verhalten jedoch weder zu mehr Klarheit, noch zu mehr Nähe. Was stattdessen hilft ist, ein offenes Gespräch mit dem Partner zu suchen, um diesen besser zu verstehen. Und damit meinen wir kein oberflächliches “Wie geht es dir?” oder bedrohlich anmutende Aufforderungen wie “Wir müssen reden.”
Vielmehr können wir versuchen, dem Partner unser ehrliches, zugewandtes Interesse zu signalisieren. Einen sicheren Rahmen zu schaffen ohne Vorwürfe, in dem der Partner sich traut mehr zu sagen und sich mitzuteilen. Wir wollen dem Partner wirklich zuhören und sind bereit, eine möglicherweise schmerzhafte oder kränkende Antwort zu erhalten. Ein Versuch könnte so aussehen: “Du scheinst dich nicht mehr so wohlzufühlen in der Beziehung. Mir ist das aufgefallen und mich interessiert deine ganz ehrliche Einschätzung dazu, woran das liegen könnte.”
Es ist verdammt schwer gemeinsam aus einer solchen Dynamik herauszukommen und genau den Weg dabei zu finden, der die Bedürfnisse beider Partner berücksichtigt.
Nach der Klärung geht es darum zu schauen, wie viel Kraft, Motivation, Lust und Durchhaltevermögen beide haben, um an einer Veränderung zu arbeiten.
Wir sehen bis hierher also die Komplexität des Phänomens aus der Bindung zu gehen und wie häufig die Gründe dafür tiefer liegen und komplexer sind als vorschnell angenommen. Wir brauchen also gar nicht erst anzufangen, daran groß alleine herumdoktern zu wollen. Für die allermeisten von uns ist es dringlich und notwendig, einen professionellen Therapeuten an der Hand zu haben, der die Tiefe hinter der Dynamik erfasst.
Es geht nicht einfach nur darum, an der Kommunikation zu arbeiten oder regelmäßige Date nights in den Alltag einzuführen. Das mag kurzfristig vielleicht erleichternd sein, da diese schnellen und oberflächlichen Ratschläge die Hilflosigkeit über die Situation etwas mildern. Solche Maßnahmen und Tipps sehen wir häufig bei Kollegen, die nicht schematherapeutisch, fokussiert und klar arbeiten. Aus Erfahrung wissen wir, dass etwas anderes nachhaltig hilfreich ist.
Und zwar die eindeutige Klärung der Situation. Welche Gründe hat die veränderte Dynamik und was hat jeder Partner dazu beigetragen? Erst dann können sich beide aufgrund der Transparenz und dem Verständnis für die Situation für oder gegen die Beziehung entscheiden.
Und erst nach einer beidseitigen Entscheidung für den Veränderungs- und Annäherungsprozess kann gemeinsam an konkreten Methoden gearbeitet werden, die langfristig die Grundbedürfnisse beider Partner berücksichtigen. Aus einem “er bemüht sich nicht mehr” kann dann im besten Fall ein “wir bemühen uns beide wieder gerne” werden.
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